Seit 2020 ist Brigitte Weber freiberufliche Beraterin, Agile Coach & Product Manager. Nach Stationen bei BMW, Flixbus, DieProduktMacher, B&O und weiteren, hat sie sich für die Selbstständigkeit entschieden. Im Interview erzählt sie uns von ihrem Weg dorthin und was Freelancing für sie bedeutet.  

Wie kam es dazu, dass du Freiberuflerin geworden bist? 

Der Gedanke freiberuflich zu arbeiten ist schon sehr früh aufgetaucht, als ich nach meinem Abitur eine Ausbildung als Automobilkauffrau bei BMW begonnen habe – also 2006. 

Unser damaliger Onboarding Coach & Trainer Markus hat mich mit seiner Arbeit so sehr begeistert, dass ich mir sofort dachte: “Das möchte ich später auch machen: Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung begleiten, sie in ihr Potential bringen und Methoden und Tools an die Hand geben, die sie in ihrem (Arbeits-) Alltag unterstützen.”

Um dahin zu kommen war mir natürlich klar, dass ich erstmal ausreichend Berufs- und Lebenserfahrung sammeln muss, um die Rolle als Coach und Trainerin einzunehmen. Daher ging es erstmal mit einer klassischen Konzernkarriere für mich los.

Letztendlich wurde mir aber klar, dass eine Ausbildung und eine Konzernkarriere für mich persönlich nicht ausreicht, um mich so zu entwickeln, wie ich es mir vorgestellt habe. Mit 25 Jahren habe ich mich an der LMU in München für BWL eingeschrieben und währenddessen in Teilzeit bei BMW gearbeitet. 

In dieser Situation ist mir auch aufgefallen, wie wichtig Flexibilität und Unabhängigkeit sind, um individuelle Ideen und Träume zu verfolgen. Ich denke hier hat sich die Idee des Freelancerlebens angefangen in mir zu verankern. 

Während verschiedener beruflicher Stationen im Product Management, traten meine Coachingskills immer stärker hervor, ich lernte immer mehr Leute kennen, die ausgebildete Coaches und Trainer*Innen sind, mein Umfeld fragte plötzlich aus dem Blauen heraus: “Hey, wann machst du dich denn jetzt endlich selbstständig?”.

Es kam also immer mehr eins zum anderen. Ich habe meinen Job gekündigt, einen Vollzeitkurs als Business Coach und Trainerin rausgesucht und damit den Grundstein für mein Freelancer-Dasein gelegt. Das war im Sommer 2019. 

Welches Gefühl verbindest du mit dem Freelancer-Dasein? 

Freelancer-Dasein bedeutet für mich meine Werte leben zu können. Ich bin unabhängig und kann immer für mich selbst entscheiden, welches Projekt ich machen möchte, wann ich meine Werte höher oder niedriger priorisiere bzw. im Zusammenhang mit verschiedenen Projekten überdenke. Zum Beispiel hat mal eine gemeinnützige GmbH einen Workshop und Coachingbegleitung zum Thema Selbstorganisation angefragt. Hier ist mir natürlich klar, dass ich einen angepassten Tagessatz anbiete bzw. ein großzügiges Paket schnüre, das den Kunden maximal weiterbringt. 

Vor allem habe ich das Gefühl als Freelancer einen großen Mehrwert für Unternehmen und ihre Teams zu schaffen. Alles was ich bisher erlebt habe, hat häufig gezeigt, wie wichtig und bereichernd externe Ressourcen für Unternehmen und ihre Teams sein können. Sowohl aus fachlicher als auch aus kultureller Perspektive. Mit Freelancern entsteht in den Unternehmen eine neue und erfrischende Dynamik, die unverwechselbar ist. Es entstehen neue Perspektiven, die ganz andere Wege und Möglichkeiten aufzeigen, wodurch ein enormer Uplift entstehen kann. 

Ich persönlich erlebe mich als Freelancer unglaublich engagiert, weil ich für meine Arbeit mit meinen Namen stehe und meine Kund*Innen entsprechend glücklich machen will. Hier zählt es transparent zu sein und auf Augenhöhe zu kommunizieren, wie auch mal unangenehme Themen anzusprechen, die aber einen ausschlaggebenden Knackpunkt darstellen. Feste Mitarbeiter*Innen haben dabei häufig größere Hemmungen, da sie ggf. Angst um ihre Stelle haben.

Was macht ein agiler Coach genau? 

In meiner Rolle als agiler Coach sehe ich mich als Begleiterin, Beobachterin, Mentorin, die Menschen und Teams dabei unterstützt auf eine Vision hinzuarbeiten. Auf dem Weg dahin probieren wir gemeinsam Methoden und Tools aus und finden das individuelle agile Mindset und die agile Herangehensweise, die zu den Menschen, dem Team und dem Unternehmen passt. Ziel ist es Raum und Zeit für die Selbsterkenntnis zu schaffen, zu experimentieren und sich Schritt für Schritt Neuerungen zu nähern. Ganz wichtig dabei: Spaß- egal wie schwierig es zwischendurch wird.

Dazu mal ein Beispiel aus einem Projekt, bei dem ich in ein zusammengewürfeltes, digitales Produktteam interimsweise als Product Manager eingesetzt wurde. Ein klasse Team mit sehr guten Skills und auch tollen verschiedenen Charakteren. Für das Team war zu dem Zeitpunkt alles neu bzw ungeklärt: das Produkt, die Teamkonstellation, die Arbeitsweise, die Methoden und Tools, die Verbindungen und Abhängigkeiten zu anderen Abteilungen. Irgendwann hatte dann auch noch das obere Management gewechselt. Es war also sehr viel los, sehr viel zu tun. 

Um die ersten gemeinsamen Schritte zu finden, habe ich mit einer Retrospektive mit allen Beteiligten angefangen. Ganz klassisch: Was lief bisher gut, was lief schlecht, was können wir besser machen?

Es ist immer wieder erstaunlich wie sehr sich die Teammitglieder verstanden fühlen und der Zusammenhalt gestärkt wird, sobald eine Retro durchgeführt wurde. Das gemeinsame Ableiten von Maßnahmen für die zukünftige Zusammenarbeit schweißt zusammen und alle haben die gleiche Auffassung von den erarbeiteten Schritten.

In diesem Fall kam heraus, dass ein agiles Grundgerüst für die Zusammenarbeit notwendig ist. Also haben wir ein Daily Stand-Up eingeführt, damit sich das Team täglich gegenseitig updaten kann und ggf. Input oder Hilfe von anderen Teammitgliedern bekommt, sofern es jemand benötigt. Nach und nach haben wir uns gemeinsam dafür entschieden einen SCRUM Prozess einzuführen und in zweiwöchigen Sprints zu arbeiten. Im Laufe der Zeit hat sich in diesem Team aber gezeigt, dass SCRUM zu stark reglementiert. Daher ist ein Kanban-SCRUM-Hybrid entstanden, womit sich das Team sehr wohl gefühlt hat und bis heute auch noch so arbeitet.

Hier hat sich also gezeigt, wie wichtig es ist die eigenen Bedürfnisse und Werte zu identifizieren und mit Hilfe von theoretischen Frameworks eine individuelle Vorgehensweise abzuleiten.

Ist die Veränderung in den Teams dann auch nachhaltig? 

Definitiv. Mein Anliegen ist es meine Kund*Innen so in der Agilität zu befähigen, dass sie*er mich so schnell wie möglich nicht mehr an ihrer*seiner Seite braucht. Auch, wenn ich es schon erlebt habe, dass sich die Teams nur schwer von mir trennen konnten, weil wir so eine tolle Zeit zusammen hatten. Das ist dann natürlich ein riesen Kompliment. Aber ein noch viel größeres Kompliment ist es zu sehen, dass Teams das Erlernte aktiv in die Hand nehmen und überzeugt umsetzen.

Um Veränderung nachhaltig zu gestalten, muss der Mensch in den Vordergrund gestellt werden. Ohne Menschen gäbe es keine Business-Welt, die am Ende für die Kultur und den Erfolg eines Unternehmens ausschlaggebend sind. Die Menschen sind die Ideengeber*innen, Schöpfer*innen und Gestalter*innen von Unternehmen und machen unsere Arbeitswelt erst möglich und lebendig.

Deshalb sind zufriedene Mitarbeiter*Innen das wichtigste Erfolgsrezept. Ein agiles Mindset ist ein ausschlaggebender Treiber, um seinen Mitarbeiter*Innen auf Augenhöhe zu begegnen. Die Menschen brauchen ausreichend Autonomie und gleichzeitig das Gefühl der Zugehörigkeit, wie auch einen Rahmen in dem sie gebraucht werden und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen können.

Nachhaltigkeit entsteht mit dem Mindset und der Unternehmenskultur, daher ist es wichtig ein gemeinsames Bild zu schaffen mit dem sich die Menschen identifizieren können und dies aktiv ausleben. Dabei ist natürlich auch das Management gefragt mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Brigitte’s Malt Profil