Die eigene Finanzverwaltung bereitet vielen Freelancer*innen regelmäßig Kopfschmerzen. Gerade wenn erste unternehmerische Erfolge zu verbuchen sind, gestaltet sich die eigene Kontoverwaltung im Hinblick auf Rechnungseingänge und -ausgänge immer schwieriger. Schließlich gibt es auch reichlich private Zahlungsverpflichtungen, denen nachzukommen ist. René Pfisterer ist seit vielen Jahren erfolgreicher Freelancer und hat für Malt ein Webinar veranstaltet, um seine Finanzverwaltungs-Strategie zu erläutern. Wir haben Renés 6-Bankkonten-Modell und weitere hilfreiche Tipps für Dich zusammengefasst.
Einfache Buchhaltung und Finanzkontrolle
Viele Freiberufler*innen nehmen an, dass es ausreicht Rechnungsbelege zu scannen und digital aufzubewahren. Die Finanzämter dürfen allerdings die originalen Belege zur Prüfung anfordern. Dementsprechend müssen Belege im Originalzustand stets separat aufbewahrt werden. Es gibt zwar auch einen rechtskonformen vollständig digitalen Weg, Belege zu scannen und ohne Aufbewahrung im Original an das Finanzamt zu versenden. Dieses Verfahren ist allerdings sehr kompliziert bzw. aufwendig und empfiehlt sich eher für GmbHs.
Selbstdisziplin als wichtigster Faktor
Eine ausgeprägte Selbstdisziplin ist bei der Entscheidung welche Ausgaben bzw. Anschaffungen zu tätigen sind wichtig. Unerfahrene Selbstständige neigen zu Spontankäufen und planen die Anschaffung notwendiger Arbeitsmaterialien nur geringfügig. Dabei spielt der Einkauf für Selbstständige eine entscheidende Rolle, um positive wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Überlege Dir also ganz genau was Du zu welchem Zeitpunkt brauchst. Denn: Preise variieren. Es gibt Sonderangebote oder Restpostenverkäufe und Rabatt-Events wie z. B. Black Friday. Wer den Markt gut beobachtet und zum richtigen Zeitpunkt einkauft, kann in einem Geschäftsjahr schnell vierstellige Beträge einsparen.
Warum bist Du selbstständig? Motivationsfaktoren finden
Die Frage nach dem Grund für Deine Selbstständigkeit ist sehr wichtig, um insbesondere in harten Zeiten genügend Motivation zu finden. Viele führen mehr Geld als ausschlaggebenden Grund für ein Freelancer-Dasein an. Der finanzielle Faktor ist zweifelsohne ein ausreichender Motivationsfaktor, solange die Höhe der Einnahmen den Wünschen entsprechen. Sobald eine Auftragsflaute eintritt, helfen weitere selbstdefinierte Gründe. An dieser Stelle sind beispielsweise flexible und freie Arbeitszeiten oder freie Freizeitgestaltung zu nennen.
Detaillierte Analyse der Lebenshaltungskosten
Während einer umfassenden und wichtigen Beschäftigung mit der Einnahmenseite, ist eine detailgenaue Aufstellung der Ausgabenseite nicht zu vernachlässigen. Wer seine Lebenshaltungskosten genau kennt, kontrolliert seine wirtschaftlichen Verhältnisse besser und verhindert finanzielle Ungereimtheiten. Als fixe Lebenshaltungskosten sind u.a. zu verstehen:
- Miete oder Immobilienfinanzierungsrate
- Mobilfunkvertrag
- Strom, Wasser und ggf. Gas
- Versicherungen (z.B. Haftpflicht, Hausrat, KFZ)
- Internet
- Abonnements (z.B. Sky, Netflix oder YouTube)
Um eine detailgenaue Aufstellung durchzuführen, ist eine sorgsame Durchsicht der Kontoauszüge zu empfehlen. Hier kannst Du alle Abbuchungen durchgehen und ausrechnen, wie hoch Deine monatlichen Lebenshaltungskosten sind. Übrigens: An dieser Stelle wird vielen Menschen bewusst, welch hohe Kosten für Abonnements oder Ratenzahlungen anfallen. Überlege Dir also genau, welche Verträge oder Abos notwendig sind. Ein kleines Rechenbeispiel gibt Aufschluss über finanzielle Stolperfallen:
Bei dieser Tabelle handelt es sich lediglich um einen Auszug möglicher Lebenshaltungskosten durch Verträge bzw. Abos. Und trotzdem liegen die monatlichen Kosten bereits bei über 100 Euro. Dazu kommen Miete, Strom, Gas, Versicherungen und Internet, sodass die fixen monatlichen Ausgaben schnell zwischen 1.200 und 1.500 Euro liegen. Überlege, auf welche Verträge oder Abos Du verzichten kannst.
Mit einem einzelnen Konto verlierst Du den Überblick
Die vorangegangenen Aufzählungen und Tabellen zeigen, wie viele unterschiedliche Abbuchungen in einem Monat stattfinden. Wer ein fixes Gehalt aus dem Angestelltenverhältnis bezieht, kann vielleicht den Überblick zu Einnahmen und Ausgaben behalten. Als Freelancer*in wird eine kontrollierte Kontoüberwachung durch zusätzliche Rechnungsausgänge und -eingänge aus verschiedenen Quellen und zu verschiedenen Zeitpunkten schwierig. Denn neben Rechnungsbegleichungen stehen auch vorbeugende Maßnahmen wie Rücklagenbildung aus steuerlichen oder privaten Gründen an. All diese Faktoren sorgen mit der Zeit, für eine unübersichtliche Kontoführung und für wenig bis gar keine Kontrolle bei der Finanzverwaltung.
Geldflusskontrolle – Das 6-Bankkonten-Modell
Zwecks einwandfreier Kontrolle über die eigenen und unternehmerischen Finanzen, benötigt es mehrere zweckdienliche Konten. Ein Mehrkontensystem bietet eine strategische Möglichkeit, die Einnahmen und Ausgaben sinnvoll und kontrolliert zu verwalten. Gerne stellen wir Dir in den folgenden Abschnitten das 6-Bankkonten-Modell vor.
Bankkonto 1: Das Geschäftskonto
Das Geschäftskonto dient ausschließlich für geschäftliche Finanzbewegungen. Das heißt: Alle Rechnungseingänge bzw. finanziellen Zuwendungen aus betrieblichen Erzeugnissen, landen auf diesem Konto. Darüber hinaus dient das Konto für alle betriebsbedingten Rechnungsausgänge. Demnach sind alle Betriebsausgaben auf dem Geschäftskonto ersichtlich. Geschäftliche Einnahmen und Ausgaben lassen sich somit schnell und übersichtlich darstellen.
Bankkonto 2: Konto für Steuerrücklagen
Auf dieses Konto solltest Du jeden Monat eine Summe überweisen, um Steuerrücklagen zu bilden und die vom Finanzamt geforderte Einkommenssteuer bzw. Umsatzsteuer am Ende eines Geschäftsjahres problemlos zu begleichen. Es ist durchaus möglich, dass du bereits quartalsweise Steuervorauszahlungen leistest. Eine Steuervorauszahlung bedeutet aber nicht, dass nach der Steuererklärung keine Steuern nachgezahlt werden müssen. Sobald Du merkst, dass deine Umsätze regelmäßig steigen, informiere Dich frühzeitig über die entsprechenden Steuersätze und bilde auf einem separaten Konto Steuerrücklagen. Es ist empfehlenswert 10 bis 20 Prozent mehr Steuerrücklagen zu bilden als das Finanzamt fordert. Überschüssige Steuerrücklagen können am Ende eines Geschäftsjahres anderweitig investiert werden. Idealerweise sorgst Du dafür, dass Du keinen leichten Zugang zum Konto hast, um auch in Notfällen die ersparte Rücklagensumme nicht zu minimieren.
Bankkonto 3: Vertragskonto
Das Vertragskonto dient für alle privaten Abbuchungen bzw. Ausgaben. Dazu gehören Kosten für Miete, Strom, Wasser, Gas, Versicherungen und privat genutzte Verträge oder Abonnements. Den benötigten Betrag für die fixen Lebenshaltungskosten, solltest Du im Vorfeld ausgerechnet haben. Die benötigte Summe für die Lebenshaltungskosten kann per Dauerauftrag vom Geschäftskonto auf das Vertragskonto erfolgen. Weil fixe Lebenshaltungskosten sich in der Regel nicht stark erhöhen, sollte ein exakt ausgerechneter Dauerauftrag das Konto immer ausreichend abdecken. Auch hier bietet sich die Möglichkeit an, einige Prozent mehr auf das Vertragskonto zu überweisen, um Rücklagen aufzubauen.
Bankkonto 4: Variable Lebensunterhaltskosten
Mit dem vierten Konto ist ein klassisches Konsum-Konto für variable Kosten gemeint. Dazu zählen Lebensmittel, PKW-Kraftstoff oder Hygieneartikel. Wer gerade erst auf ein Mehrkontensystem umsteigt, kann Geldabhebungen und Kartenzahlungen auf den Kontoauszügen überprüfen, um die benötigte Summe zu bestimmen. Selbstverständlich kannst Du auch an dieser Stelle 10 bis 15 Prozent mehr überweisen.
Bankkonto 5: Urlaubskonto
Eine Pause und einen erholsamen Urlaub brauchen nicht nur Angestellte, sondern auch alle Freelancer*innen. Idealerweise überweist Du auf Dein Urlaubskonto monatlich zwischen 200 und 300 Euro. So landen am Ende eines Jahres zwischen 2.400 und 3.600 Euro auf Deinem Konto. Im Folgejahr sind problemlos zwei bis drei erholsame Urlaube zu verbringen. Darüber hinaus kann das angesparte Geld auf dem Urlaubskonto auch während des Urlaubs für anstehende Ausgaben verwendet werden.
Bankkonto 6: Spaßkonto
Das Freelancer-Dasein erfordert viel Disziplin, Organisation und Verantwortung. Viele Arbeitstage sind von Druck geprägt und rauben einem den Schlaf. Der Faktor Spaß gehört genauso in den Kalender, wie Auftragsfristen oder geschäftliche Meetings. Jeder Mensch hat Hobbys und unternimmt in der Freizeit gerne Dinge, die üblicherweise Geld kosten. Nimm Dir die Zeit für Deinen Spaß. Es ist wichtig abzuschalten und positive Energie für die Selbstständigkeit zu gewinnen. Abhängig von Deinen üblichen Freizeitaktivitäten und Hobbys, sollte es kein Problem sein monatlich zwischen 150 und 250 Euro auf Dein Spaßkonto zu überweisen.
Optional: Investmentkonto
Zu guter Letzt ist ein Investmentkonto zu empfehlen. Hier fließt jeden Monat ein bestimmter Betrag in Firmen (z. B. Start-Ups), die bei erfolgreicher Entwicklung gewinnbringende Zinsen zurückwerfen und das Geld vervielfachen. Was nach Zockerei am Finanzmarkt klingt, ist mit einer gewissen Expertise und einer vernünftigen Streuung der Investitionssummen, ein überschaubares Risiko. Beschäftige Dich aber im Vorfeld ausreichend mit dem Thema Investment und erarbeite Dir auch an dieser Stelle eine zielführende Strategie.
Rücklagen bilden
Für Freiberufler*innen bzw. für alle Selbstständigen ist das Bilden von Rücklagen wichtig. Eine Auftragsflaute aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen kann jederzeit vorkommen. Darüber hinaus können auch Krankheiten oder Ereignisse im privaten Umfeld dafür sorgen, dass Aufträge und damit auch gewohnte Umsätze ausbleiben. Gründe für langandauernde schwierige Auftragslagen gibt es zuhauf. Dem zu Folge sollten langfristig alle Freelancer*innen Rücklagen bilden, die das Überleben bzw. den Lebensstandard für 6 Monate gänzlich ohne Aufträge sichern.
Positiven Umgang mit Finanzamt pflegen
Versuche mit dem zuständigen Finanzamt stets ein positives Verhältnis zu pflegen. Sei proaktiv, höflich, pünktlich und gehe in Problemfällen persönlich zum Finanzamt, um Angelegenheiten zu klären. Achte darauf, dass Du persönliche Veränderungen z.B. Umzug oder Steuerklassenwechsel rechtzeitig mitteilst. Schreibe lieber eine E-Mail zu viel und rufe lieber einmal zu häufig an, um Missverständnissen vorzubeugen.
Zusammenfassung
Sicherlich ist das 6-Kontel-Modell eine Strategie, die nicht alle Freelancer*innen unmittelbar zu Beginn der Selbstständigkeit umsetzen müssen. Schließlich dauert es eine gewisse Zeit bis finanzielle Dimensionen erreicht sind, die eine ausgeklügelte Herangehensweise erlauben. Es ist eher als mittelfristige Strategie zu erachten, die im Erfolgsfall wichtig ist, um stets den Überblick und die Kontrolle über die Finanzen zu behalten. Die folgenden vier Punkte lassen sich zusammenfassend als wichtigste Faktoren zur einwandfreien Kontrolle der Finanzen definieren:
- Selbstdisziplin, Organisation und hohes Verantwortungsbewusstsein
- Detaillierte Analyse der monatlichen Ausgaben
- Mit einem 6-Konten-Modell die eigenen Finanzen verwalten
- Rücklagen bilden