Eines Sommers, es muss etwa 20 Jahre her sein, geschah in meiner Familie etwas Mysteriöses: Unser Butterverbrauch war auf unerklärliche Weise in die Höhe geschnellt. Meine Eltern mussten plötzlich tief in die Tasche greifen, um jede Woche große Mengen des Grundnahrungsmittels einzukaufen. Hinzu kamen die stirnrunzelnden Blicke, die sie angesichts der großen Mengen Butter an der Supermarktkasse ernteten.
Irgendwann reichte es meiner Mutter und sie beschloss, dem Rätsel der schwindenden Butter auf den Grund zu gehen. Sie trommelte die Familienmitglieder zusammen und forderte jeden von uns auf, einen detaillierten Bericht über unseren Butterverzehr vorzubringen. Wir kamen der Aufforderung nach und erklärten uns bereit, unseren Butterkonsum entsprechend zu reduzieren.
Einige Wochen vergingen, doch das Butterproblem gab weiterhin Rätsel auf – bis wir eines Tages schließlich auf die Ursache stießen. Wir kehrten gerade von einem Familienausflug zurück und wurden Zeugen einer Szene, die wir niemals vergessen werden: In der Küche stand unser vierjähriger belgischer Schäferhund mit den Vorderpfoten auf der Anrichte und verschlang mit einem einzigen Happen ein Stück Butter.
Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an zwei intensive Gefühle. Das erste war Erleichterung, denn die quälende Ungewissheit bezüglich des familiären Butterproblems hatte nun ein Ende. Das zweite war Ekel, als mir klarwurde, dass ich die Butter wochenlang mit meinem Hund geteilt hatte.
Um dem Problem Herr zu werden, experimentierten wir mit verschiedenen Möglichkeiten der Butteraufbewahrung und entschieden uns letztlich für den Kühlschrank. Erst später im Leben erfuhr ich, dass dies gängige Praxis ist und meine Familie sich beträchtliche finanzielle und soziale Unannehmlichkeiten hätte ersparen können.
Diese Alltagssituation ist ein gutes, wenn auch etwas weit hergeholtes Beispiel dafür, warum Problemlösungskompetenz auch außerhalb des Berufslebens wichtig ist. Wenn wir von „Problemlösung“ sprechen, meinen wir normalerweise „Problemidentifizierung und Lösung“, also das Forschen nach der genauen Problemursache und das Brainstorming und Umsetzen von entsprechenden Lösungen.
Aber wie „löst“ man ein Problem denn eigentlich? Wie findet man heraus, weshalb man jedes Wochenende so viel Butter kaufen muss? Im Folgenden beschreiben wir in fünf Schritten, wie du jedes beliebige Problem in einem komplexen Umfeld lösen kannst.
In fünf Schritten zur effektiven Problemlösung
1. Tief im Heuhaufen graben
Die größte Herausforderung besteht wohl darin, überhaupt das Problem zu erkennen, mit dem man konfrontiert ist. Nehmen wir den Zwischenfall mit dem Hund und der Butter: Die Lösung zu finden ging relativ einfach und schnell verglichen mit der Zeit, die wir mit der Suche nach der Problemursache zugebracht haben. Es reicht nicht, zu sagen „Unsere Einnahmen sind rückläufig“ oder „Unser NPS sinkt“, denn daraus lassen sich keine brauchbaren Handlungen ableiten. Stattdessen kommt es darauf an, das Problem im Detail zu verstehen und die grundlegende(n) Ursache(n) zu bestimmen.
Stelle fünfmal die Frage „Warum ist das so?“ (auch bekannt als „5-Why-Methode“), um der Ursache des Problems auf die Schliche zu kommen. Dadurch bist du gezwungen, die kausalen Reaktionen auf Variablen zu berücksichtigen, die die „problematische“ Folgewirkung beeinflussen.
Die Fragetechnik basiert auf einem „hypothesengesteuerten Ansatz“: Mithilfe der fünf Warum-Fragen gelangst du zu einer Hypothese über die Problemursache, die es später zu bestätigen (oder zu widerlegen) gilt. Es kann auch noch weitere Problemursachen geben, für die du zu prüfende Hypothesen aufstellen kannst.
2. Das vollständige Bild erfassen
Wenn du in einem komplexen Umfeld arbeitest, lässt sich dein Problem wahrscheinlich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Höre nicht mit der Ursachenforschung auf, sobald du eine plausible Quelle ausgemacht hast, sondern stelle die Warum-Fragen erneut auf andere Weise, um weitere potenzielle Problemherde zu identifizieren.
Methoden wie das Ishikawa- bzw. Fischgräten-Diagramm helfen dir, Kausalketten übersichtlich darzustellen.
Tipp: Begib dich in der Gruppe auf Ursachenforschung! Befrage Personen, die mit der Problemstellung vertraut sind, aber unterschiedliche Perspektiven haben. Dies erhöht die Chancen, einen Großteil der möglichen Ursachen zu identifizieren, erheblich.
3. Die Auswirkungen quantifizieren
Nachdem du eine Reihe möglicher Ursachen für dein Problem identifiziert hast, gilt es herauszufinden, welche davon die wahre Problemquelle darstellt. Dies ist der Schritt, in dem du deine Ihre Hypothesen überprüfst und die wichtigsten Stellschrauben zur Lösung des Problems ermittelst. In diesem Schritt werden unterstützende Daten gesichtet und externe Stakeholder befragt, um die Liste der von dir formulierten Ursachen und Hypothesen anzupassen.
Einige Hypothesen könnten sich als unzutreffend erweisen und als mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Andere müssen vielleicht noch angepasst werden, wenn aus Gesprächen mit Kunden weitere Informationen bekannt werden. Schließlich werden einige der Hypothesen als die tatsächliche Problemursache bestätigt.
Der dritte Schritt besteht darin, eine Liste der Ursachen aufzustellen, die sich als die zugrunde liegenden Faktoren der initialen Problemstellung herausgestellt haben. Jetzt kennst du Sie den tatsächlichen Problemherd. Aber wie gehst du dagegen vor?
4. Lösungsfindung
Ein hilfreicher Weg, um Lösungen für ein Problem zu finden, ist auch hier wieder, verschiedene Perspektiven in die Diskussion einzubringen. Im Idealfall findet man sich in einer Gruppe zusammen, in der betroffene Personen mit unterschiedlichem Hintergrund gemeinsam nach Lösungen suchen. Eine gute Methode bestehend aus vier Schritten liefert der Design-Thinking-Prozess:
- Klarheit schaffen: Vergewissern dich, dass jeder die Problemstellung richtig verstanden hat. Das Problem muss so dargestellt werden, dass jeder versteht, was die negativen Folgen sind und wer davon betroffen ist.
- Empathie entwickeln: Versuche du, sich in die betroffenen Personen, für die die Lösung gesucht wird, hineinzuversetzen und Empathie zu entwickeln. Bei COMATCH nutzen wir für ein effizientes Brainstorming das sogenannte „Empathy Mapping“. Dabei listen die Teilnehmer alles auf, was jemand möglicherweise fühlt, sagt, tut, usw., wenn er mit dem fraglichen Problem konfrontiert wird.
- Brainstorming: Erst wenn du das Problem und die davon betroffenen Personen wirklich verstanden hast, solltest du mit der Formulierung von Lösungen beginnen. Diesen Schritt solltest du unbedingt mit einer offenen Brainstorming-Phase einleiten, in der jede Idee willkommen ist. Ziel ist es, eine lange Liste von Lösungsmöglichkeiten zu sammeln.
- Ideen nach Prioritäten sortieren: Verdichte nun die Liste potentieller Lösungen, indem du die am wenigsten und die am meisten Erfolg versprechenden Lösungen ermittelst. Stelle dazu die finale Auswirkung der einzelnen Ideen dem für ihre Umsetzung erforderlichen Aufwand gegenüber. In dieser Phase dürfte es sich um grobe Schätzungen handeln, aber durch viele verschiedene Perspektiven hast du bereits große Chancen, die am besten geeigneten Lösungen zu identifizieren.
5. Die Lösungsansätze testen
Nachdem du die besten Lösungsansätze ermittelt hast, musst du sie testen. In komplexen Arbeitsumgebungen kann in dieser Phase noch Unsicherheit hinsichtlich der Problemstellung und Lösung herrschen. Deshalb wird im Rahmen des De-Risking-Prozesses damit fortgefahren, die Lösungsansätze zu testen, gefolgt von einem Build-Measure-Learn-Kreislauf.
Tipp: Erarbeite eine „MVP“-Lösung und versuche, den kleinstmöglichen Aufwand zu betreiben, um die Kernidee in kleinem Maßstab zu testen. So kannst du feststellen, ob die Lösung das Problem beheben kann. Ist dies nicht der Fall, teste eine andere Lösung. Die endgültige ermittelte Lösung sollte anschließend skaliert werden, um das Problem auf möglichst vielen Ebenen anzugehen.
…
Um auf den Fall unseres butterliebenden Familienhundes zurückzukommen: Du weißt nun, dass wir das Problem nicht schnell lösen konnten, da wir zunächst nicht die Ursache finden konnten. Dies ist auch bei den meisten ungelösten Problemen im beruflichen Kontext der Fall. Alle Versuche, ein Problem zu lösen, sind vergeblich, wenn nicht versucht wird, es methodisch zu verstehen. Nimm dir Zeit, die Problemstellung zu definieren, anstatt voreilig eine Lösung zu suchen. Dieser Aufwand macht sich später um ein Vielfaches bezahlt, und zwar in Form einer zielgerichteten und präzisen Lösung für die Ursache des Problems.