arbeitet als Trainerin und systemischer Coach in einer kleinen Unternehmensberatung. Kürzlich hat sie für die ein Webinar zum Thema Pitfalls des E-Learning gehalten, in dem sie praktische Tipps für die Gestaltung von E-Learning Formaten gibt. Studiert hat sie Medien- und Bildungsmanagement im Bachelor und Erwachsenenbildung im Master.
Wie unterstützt Du Kunden beim E-Learning ?
Anja: Ich habe mich bereits während meinem Studium intensiv mit der Didaktik und Lernpsychologie von Weiterbildungsangeboten beschäftigt, aber mich auch mit User Experience Design und Mediengestaltung auseinandergesetzt. Die persönliche Weiterentwicklung von Menschen war schon immer meine Leidenschaft, egal ob präsent oder virtuell. Als vielfach erprobte Teilnehmerin und Designerin unterschiedlichster E-Learning und Blended Learning Angebote weiß ich genau, wie virtuelle Lernangebote inhaltlich, methodisch und didaktisch aufbereitet sein müssen, damit Lernen intuitiv, motivierend und ergebnisorientiert stattfinden kann. Mit diesen Kompetenzen fungiere ich oft als E-Learning Beraterin und E-Tutorin.
Was macht E-Learning gerade in der aktuellen Zeit besonders relevant?
Anja: Ich sehe in Zeiten von Corona und Ausgangsbeschränkung die zweite große Chance für E-Learning. Viele von uns sind im Home-Office – dennoch wollen und müssen wir uns weiterbilden, unsere Mitarbeiter onboarden, unsere Schüler und Studenten schulen etc. Es führt also gar kein Weg an E-Learning vorbei. In den späten 90ern wurde das Thema zum ersten Mal gehyped – wirklich etabliert hat sich E-Learning in meinen Augen jedoch nicht. Ich habe das Gefühl, Viele sind damals notgedrungen auf den Digitalisierungszug aufgesprungen und haben unüberlegte, virtuelle Lernformate publiziert. Davon waren viele weder motivierend, noch wirksam was zu einer Unzahl an schlechten Formaten geführt hat. Das prägt natürlich die Einstellung jedes Einzelnen zum Thema. Wenn wir uns dieses Mal ein bisschen geschickter anstellen und unser Wissen über Online-Didaktik und Lernpsychologie einfließen lassen, ist das eine fantastische Chance, E-Learning wirklich zu etablieren.
Wieso geht E-Learning häufig schief und welche Erfahrungen machen Teilnehmer von solchen Programmen?
E-Learning gibt es wie gesagt schon einige Jahrzehnte und dennoch berichten Teilnehmer noch immer häufig von negativen Erfahrungen. Dabei sind es meist die gleichen Motivationskiller und Spaßbremsen, die ich in diesem Zusammenhang höre: E-Learnings seien langweilig und ermüdend, bzw. es erfordert hohe Eigenmotivation, es fehle an Gruppendynamik und Erfahrungsaustausch und man erhalte kein Feedback. Das ist schade, bedeutet aber nicht das Aus für das Konzept, sondern liegt häufig in einigen grundlegend falschen Annahmen begraben. Diese möchte ich kurz darstellen.
Häufig wird angenommen, E-Learning ist maximal skalierbar – ein Mal konzipiert ist es ein Selbstläufer. Das kann man natürlich machen, dann habe ich aber ziemlich sicher auch ein unpersönliches Format konzipiert, bei dem sich die Lernenden alleine gelassen fühlen und maximal träges Wissen erwerben. Ein weiterer Denkfehler ist die Annahme, was offline funktioniert, müsse auch online funktionieren. Es gibt definitiv große Überschneidungen – dennoch ist die Online-Didaktik eine andere, als die Präsenzdidaktik. Und zu guter Letzt haben wir häufig das Gefühl wir müssen uns zwischen E-Learning oder Präsenzlernern entscheiden. Auch das stimmt nicht. Die Wirksamkeit von der Mischform (Blended Learning) ist vielfach bewiesen und hier kann ich ganz klar eine Empfehlung aussprechen.
In Summe gibt es also sowohl auf der Seite derer die E-learnings konsumieren, besonders aber bei den Gestaltern von E-Learning noch erheblichen Nachholbedarf.
Welche Tipps würdest Du Gestaltern von E-Learning Angeboten mit an die Hand geben?
Anja: Die Auseinandersetzung mit Online-Didaktik. Wir wissen aus vielen Forschungen, warum E-Learning häufig scheitert und was die Besonderheiten sind. Nur wenn ich über die Problembereiche Bescheid weiß, kann ich auch Lösungen dafür erarbeiten. Beispielsweise wissen wir, dass es uns online häufig die soziale Präsenz von anderen Menschen mangelt, was zur Vereinsamung und zu Motivationsdefiziten führt. Ich muss mich also fragen, wie kann ich mein Format so persönlich wie nur möglich gestalten. Ebenso wissen wir, dass es virtuell oft zu Verantwortungsdiffusionen, Koordinationsschwierigkeiten, fehlender Verbundenheit und einem Information Overload kommt. Hieraus ergeben sich Fragen, die ich mir als E-Learning Gestalter stellen muss und im nächsten Schritt natürlich kreativen Lösungen, wie wir diese Problembereiche umgehen können. Einige, habe ich in der Grafik dargestellt:
Wenn man heute ein E-Learning gestaltet, gibt es bestimmte Themen auf die man bei der Erstellung der Materialien achten sollte?
Anja: Die gibt es. Wichtig an der Stelle ist für mich: Gutes Design ist mehr als nur gutes Aussehen. Wir wissen viel aus den Bereichen der User Experience (UE)- und User Interface (UI) Forschung. Um mal eine Theorie an dieser Stelle zu nennen: Es gibt die Cognitive Theory of Multimedia Learning nach Mayer. Die Theorie befasst sich mit Informationsverarbeitungsprozessen beim Lernen im Gehirn, genauer: mit der Verknüpfung von Text- und Bildpräsentationen. Sie fußt auf 3 Annahmen:
(1) „Dual Channel Assumption“: Das Arbeitsgedächtnis eines Menschen besteht aus zwei voneinander unabhängigen Kanälen zur Speicherung von kurzfristigen Informationen – einem visuellen / piktoralen und einem auditiven / verbalen Kanal.
(2) „Limited Capacity Assumption“ : Die zweite Annahme besagt, dass Menschen nur eine limitierte Menge an Informationen je Kanal zur selben Zeit verarbeiten können (pro Kanal 7+/- 2 Chunks).
(3) „Active Processing Assumption“ : Die dritte Annahme geht davon aus, dass sich Lernende aktiv mit dem Lernmaterial beschäftigen, um eine schlüssige und zusammenhängende mentale Repräsentation ihrer vorhandenen Erfahrungen konstruieren zu können. Lernen ist demnach dann sinnvoll, wenn relevante Informationen in mentalen Modellen repräsentiert und verknüpft werden.
Daraus lassen sich konkrete Gestaltungsprinzipien ableiten:
- Multimediaprinzip: Wir lernen besser mit Wörtern und Bildern, als mit Wörtern alleine. Deshalb helfen zum Beispiel grafische Darstellungen um die Informationen zu verarbeiten.
- Prinzip der Kontiguität: Inhaltlich zusammenhängende Themen müssen räumlich nahe präsentiert werden (und nicht erst einige Seiten später)
- Kohärenzprinzip: Irrelevante Wörter sollten entfernt werden, da uns diese nur ablenken.
- Modalitätsprinzip: Animierte und auditiv dargebotene Information kann besser verarbeitet werden als als rein visuelle Information. Wenn beide Kanäle (Auge, Ohr) gleichzeitig angesprochen werden, kann mehr Information in der gleichen Zeit verarbeitet werden.
- Redundanzprinzip: Man sollten auditiv dargebotene Information nicht visuell wiederholen, z.B. durch einen Sprechertext. Dadurch wird der lernende z.B. von der Grafik abgelenkt, die er gerade versucht zu verstehen. In Folge sinkt der Lerneffekt.
Wenn man sich an diese Prinzipien hält, macht man es dem Lernenden schon ein gutes Stück leichter die dargebotenen Informationen schnell und effektiv zu verarbeiten.
Du plädierst sehr stark für einen E-Tutor beim E-Learning. Was macht dieser Tutor?
Anja: E-Tutoren oder auch E-Trainer genannt fungieren als Lernbegleiter im gesamten E-Learning Prozess. Sie erfüllen eine Reihe von Aufgabengebieten und stellen damit sicher, dass sowohl das didaktische Konzept, als auch die konkrete Umsetzung und Organisation des Kurses reibungslos und erfolgsversprechend von statten geht.
Es gibt einige wichtige Rollen, die ein E-Tutor einnehmen sollte: Er ist fachlicher Ansprechpartner, unterstützt also inhaltlich und gibt Feedback. Er gestaltet aber auch didaktisch, z.B. für Aufgabenerstellung, Lehrstrategien, Konzeption, Aufbereitung & Struktur. Die Lernenden haben einen Bedarf begleitet und ggf. unterstützt zu werden, sowohl reaktiv (z.B. als “Kummerkasten”) aber auch proaktiv (z.B. Motivator). Er ist technische Anlaufstelle, wenn mal etwas nicht funktioniert. Außerdem moderiert er den Prozess, z.B. durch Moderationstechniken oder als Vermittler und koordiniert die Gruppenprozesse. Zuletzt ist der E-Tutor auch für die Organisation, also zum Beispiel die Planung von Abgabeterminen, die Koordination vor und nach einem Kurs verantwortlich.
Idealerweise findet ihr einen E-Tutor, der fit in allen Aufgabengebieten ist. Das wäre zum Beispiel ein Trainer (Fachexperte in einem bestimmten Gebiet), der fundierte Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich Online-Didaktik hat und technisch versiert genug ist, das Programm aufzusetzen. Sollte das nicht der Fall sein, kann es auch vorkommen, dass mehrere E-Tutoren denselben Kurs betreuen. An dieser Stelle sollten jedoch klare Rollen definiert sein und darauf geachtet werden, dass den Lernenden diese Rollen unmissverständlich kommuniziert werden.
Bei der Anzahl der Themen wird deutlich, dass es hier eine Reihe von wichtigen Aufgaben gibt, die über das reine Präsentieren weit hinausgehen. Das ist auch einer der wesentlichen Unterschiede zwischen klassischen Webinaren und strukturiertem E-Learning. Die Tatsache, dass Teilnehmer für diese Aspekte einen klaren Ansprechpartner haben, macht einen großen Unterschied in Bezug auf die Motivation der Teilnehmer.
Wer sind normalerweise Deine Kunden und bei welchen Themen berätst Du sie freiberuflich?
Anja : In erster Linie werde ich als Trainerin für Softskill- und Führungsthemen und als Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Karrieregestaltung gebucht. Damit bin ich eher thematisch spitz, als auf bestimmte Kundengruppen beschränkt. Meine Stärke ist hier in jedem Fall die Konzeption ganzheitlicher, modularer Entwicklungsprogramme. Diese beinhalten neben Trainingsbausteinen häufig auch Coachingeinheiten und falls passend virtuelle Lernblöcke.
Werde ich speziell für die E-Learning Beratung gebucht, unterstütze ich meine Kunden meist bei der zielführenden didaktischen Konzeption und damit verbunden auch mit der Erstellung eines detaillierten Betreuungsplans für den E-Tutor.
Vielen Dank für das Interview, Anja!